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Jordanien (2): Petra

Vom Biosphärenreservat Dana nach Wadi Musa, dem Tor zur antiken Stadt Petra, ist es glücklicherweise nicht weit. So konnten wir nach der kurzen Fahrt und dem Check-in in unserem gemütlichen Hostel noch am selben Tag einen ersten Eindruck von diesem absolut überwältigenden Ort gewinnen. Teil zwei unseres Reiseberichts aus Jordanien.

Petra, eines der nicht ganz unumstritten gewählten Neuen Sieben Weltwunder, erstreckt sich über mehr als 60 Quadratkilometer und beherbergt über 800 registrierte Monumente. Die antike nabatäische Stadt war einst ein blühendes Handelszentrum, strategisch günstig an der Schnittstelle mehrerer wichtiger Karawanenrouten gelegen. Hier flossen die Reichtümer der Seidenstraße zusammen: Weihrauch aus dem Süden Arabiens, Gewürze aus Indien und Seide aus China. Die Nabatäer waren meisterhafte Wasserbauingenieure und schufen hier ein ausgeklügeltes System aus Dämmen, Kanälen und Zisternen, das die Stadt mit Wasser versorgte – eine beeindruckende Leistung angesichts der staubtrockenen Wüstenumgebung.

Schon im Voraus war uns bewusst, dass Petra riesig ist – ein Gelände, das man unmöglich an einem einzigen Tag erkunden kann. Daher ist eine gute Planung im Voraus essentiell. Dank ausführlicher Recherche im Internet und der einen oder anderen YouTube-Dokumentationen fühlen wir uns also gut vorbereitet, als wir in der benachbarten Stadt Wadi Musa ankommen.

Und so ging es noch am selben Tag los. Versorgt mit einem Jordan-Pass, eine Art Rundum-sorglos-Paket, in dem das Visum für Jordanien, Eintritt für Petra und noch Zugang zu zahlreichen Attraktionen enthalten ist, machen wir uns auf dem Weg. Der schmale Siq, der Zugang zur antiken Stadt, ist ein etwa 1.2 Kilometer langer Canyon, dessen Wände sich an manchen Stellen bis zu 80 Meter in die Höhe erheben und die Sonne zu schmalen Lichtstreifen filtern.

Mit jedem Schritt wächst unsere Spannung. Und dann, nach einer letzten Biegung, öffnet sich der Blick auf das monumentale Schatzhaus Al-Khazneh. Die 40 Meter hohe Fassade ist ein Meisterwerk antiker Architektur, vollständig aus dem rosafarbenen Sandstein gehauen.

Und auch hier fällt uns auf: Die berühmte Stätte ist fast menschenleer. Die uns umgebende Stille ist fast greifbar – nur das leise Murmeln des Windes zwischen den Felsen unterbricht die Ruhe. Wo sich normalerweise hunderte Touristen drängen, begegnen wir nur einer Handvoll anderer Reisender. Das ist schön für unsere Foto-Kompositionen, aber weniger schön für die Einheimischen. Diese leben nämlich seit Generationen vom Tourismus, aber kommen seit den letzten Jahren kaum noch über die Runden. Überall werden uns Sonderangebote gemacht – “10 Kühlschrankmagnete zum Preis von einem!” hören wir es alle paar Meter hinter uns herrufen.

Tatsächlich trauen sich viele potenzielle Besuchende nicht in die Region, obwohl Jordanien selbst als eines der sichersten Länder des Nahen Ostens gilt. Die Folgen sind dramatisch: Während 2023 noch 1.1 Millionen Menschen nach Petra kamen, waren es 2024 nur noch 457.000. Ein dramatischer Rückgang, der die lokale Wirtschaft hart trifft.

Hinauf zum Opferplatz

Am ersten Tag erkunden wir einen den zahlreichen Wege abseits der Hauptroute. Unsere erste Zwischenstation ist der Opferplatz (Al-Madhbah), der auf einer Höhe von 170 Metern thront und einst das religiöse Zentrum der nabatäischen Stadt war. Der Aufstieg über mehr als 800 in den Fels gehauene Stufen ist anstrengend – unsere Beine brennen, während die Nachmittagssonne ihr Übriges tut. Der Ausblick von oben entschädigt jedoch für alle Mühen: Man überblickt fast die gesamte antike Stadt, die sich wie ein steinernes Labyrinth zwischen den rötlichen Felswänden ausbreitet.

Die zahlreichen Grabfassaden, an denen wir vorbeiwandern, sind nicht weniger beeindruckend. Jede einzelne erzählt ihre eigene Geschichte und spiegelt den Status ihres einstigen Besitzers wider. Zudem zeigt sich hier die gleiche geologische Vielfalt wie schon in Dana: Die verschiedenen Gesteinsschichten offenbaren Millionen Jahre Erdgeschichte. Im Licht der Nachmittagssonne erschienen die verschiedenen Färbungen des Sandsteins besonders intensiv – ein betörendes Farbenspiel, das durch Eisenoxid-Einlagerungen entstanden ist.

Mit der nahenden Schließzeit des Geländes im Hinterkopf machen wir uns wieder auf dem Weg in Richtung Haupteingang. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Ein neuer Tag, ein neuer Weg

Am zweiten Tag klingelt der Wecker kurz nach Sonnenaufgang – wir wollen Petra auf einem weniger bekannten, aber besonders reizvollen Weg erreichen. Dieser alternative Zugang führt über das Kloster Ad-Deir und war lange Zeit ein Geheimtipp. Inzwischen ist die Route zwar besser erschlossen, hat jedoch nichts von ihrem Charme verloren: Ein kostenloser Shuttle bringt uns in aller Herrgottsfrühe zur Ausgrabungsstätte Little Petra, wo wir in einen Jeep umsteigen. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe anderer Frühaufsteher holpern wir durch die Wüste – ein stimmungsvoller Auftakt.

Nach kurzer Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Wanderung: ein sanft ansteigender Pfad, der sich durch die beeindruckende Landschaft schlängelt und direkt zum monumentalen Kloster führt. Der Weg ist gut ausgeschildert und überrascht uns immer wieder mit atemberaubenden Ausblicken, die zum Innehalten einladen. Entlang der Strecke stoßen wir auf zahlreiche Aussichtspunkte – viele davon mit charmanten, wenn auch oft verlassenen Teestuben. Es scheint, als würden die Panoramen selbst miteinander wetteifern, um die Aufmerksamkeit der Wandernden zu gewinnen.

Picknick mit Aussicht

Das Kloster thront auf rund 1.000 Metern Höhe. Mit seiner 45 Meter hohen Fassade wirkt es sogar noch majestätischer als das Schatzhaus am Haupteingang – auch wenn sich beide auf den ersten Blick verblüffend ähneln. Nun stand nur noch eine Entscheidung an: Von welchem der zahlreichen Aussichtspunkte wollten wir unser Picknick genießen? Schließlich fiel unsere Wahl auf einen Hügel, der einen ungestörten Blick direkt auf die monumentale Front des Klosters bot.

Zum Glück hatte uns der ausgesprochen herzliche Hotelmanager ein großzügiges Verpflegungspaket zusammengestellt: frisches Fladenbrot, cremiger Hummus, viele süße Riegel und ausreichend Getränke – ein Segen angesichts der zunehmenden Mittagshitze. Die Sonne brennt zwar unerbittlich, doch das tut unserer Freude keinen Abbruch. Im Gegenteil: Wir genießen jede Minute dieses besonderen Moments – umgeben von Stille, abseits des Trubels, ganz im Einklang mit der Magie des Ortes.

Letzter Blick zurück

Während die Sonne langsam aber sicher dem Horizont entgegenwandert, offenbart der Nachmittag die magischsten Momente unseres Petra-Besuchs. Die wenigen verbliebenen Besuchenden ziehen sich allmählich zurück, und mit jeder Minute wird es stiller – eine Ruhe, die der antiken Stadt eine fast greifbare Mystik verleiht. In dieser besonderen Stimmung, wenn die Schatten länger werden und das goldene Licht die Felswände zum Leuchten bringt, spürt man förmlich die Präsenz der Vergangenheit.

Auf dem Rückweg ins Tal erkunden wir den Großen Tempel – ein imposantes Bauwerk aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., das einst vermutlich sowohl religiöse als auch administrative Funktionen erfüllte. Die komplexe Architektur mit Säulengängen, einem halbrunden Theatron und kunstvoll gearbeiteten Kapitellen zeugt vom hohen kulturellen Niveau der Nabatäer.

Auch die zahlreichen Grabstätten entlang unseres Weges erzählen ihre ganz eigene Geschichte: von den schlichten Urnengräbern bis hin zu den prächtigen Königsgräbern spiegeln sie die gesellschaftliche Ordnung ebenso wider wie den tief verwurzelten Glauben an ein Leben nach dem Tod. In den stillen, kühlen Kammern hallen unsere Schritte wider, während das gedämpfte Licht durch die schmalen Eingänge fällt und eine fast meditative Atmosphäre schafft.

Wir kosten den Tag beinahe bis zur letzten Minute aus und genießen noch ein letztes Mal den Blick auf das weite Tal und die warmen Sonnenstrahlen auf unserer Haut. Als wir Petra schließlich verlassen, sind wir erfüllt – von Eindrücken, von Geschichte, von Stille. Die Erinnerung an diesen späten Nachmittag, an dem wir die Stadt fast für uns allein haben, wird uns noch lange begleiten.

Viel Zeit zum Innehalten bleibt jedoch nicht, denn am nächsten Morgen brechen wir bereits auf – weiter in die Wüste und schließlich an die Küste, wo wir uns endlich ein wenig Erfrischung erhoffen.

Fortsetzung folgt…

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