Während die Nachrichtensender ihre Kameras auf die Unruhen im Nahen Osten richten, offenbart sich uns ein anderer Eindruck der Region. Jordanien offenbart uns pure Gastfreundschaft, menschenleere Tempelanlagen, sternenübersäte Nächte und kristallklare Korallenriffe. Die Erfahrung, ein ganzes Land fast für sich allein zu haben, kalibriert alle Sinne neu. Teil eins unseres Reiseberichts aus Jordanien.
Nach unserer Landung auf dem Flughafen in Amman empfängt und sofort die erste Überraschung: Mit Temperaturen um 14°C prickelt die kühle Luft auf der Haut. Es ist deutlich kälter als erwartet. Die Hauptstadt Jordaniens liegt auf sieben Hügeln und erreicht eine Höhe von bis zu 900 Metern – ein Fakt, den wir in unserer Vorfreude auf den Wüstenstaat unter den Tisch fallen lassen haben. Aber man gewöhnt sich dran. Und die Tage danach werden wir noch genug Sonne zu Gesicht bekommen.
Alles andere verläuft nach Plan: Da wir schon im Voraus erfahren haben, dass der öffentliche Personennahverkehr im Land zu wünschen übrig lässt und manche Ziele nur extrem selten angesteuert werden, kamen wir schnell auf die Idee eines Mietwagens. Ein wichtiger Teil der Reiseplanung, den ich – so viel sei vorweggenommen – allen Reisenden empfehlen möchte, die Jordanien auf eigene Faust erkunden möchten. Der lokale Verkehr und die teils wirre Straßenführung setzen zwar starke Nerven voraus, aber mit der Zeit geht das schnell in Fleisch und Blut über.

Spaziergänge durch Amman
Trotz Mietwagen möchten wir Amman in den ersten Tagen zu Fuß erkunden, um näher am Puls der Stadt zu sein. So ist unser erster Eindruck geprägt von labyrinthartigen Wegen, engen Gassen, dicht bebauten Hügeln und: Stufen, Stufen, Stufen. Die bergige Topografie prägt das Stadtbild vollständig und sorgt an für atemberaubende Ausblicke an jeder Ecke, wo sich die honigfarbenen Häuser den Hang hinaufziehen. Der wahre Charme der Stadt besteht allerdings in den freundlichen Menschen, deren Augen aufleuchten, als sie aufrichtiges Interesse an unserer Reise bekunden und uns fragen, wieso wir uns denn ausgerechnet für Jordanien als Reiseland entschieden haben.
Tatsächlich haben wir in Amman nur wenig andere Reisende getroffen. Wie wir später noch häufig erfahren, leidet der Tourismus in Jordanien seit einigen Jahren stark unter den Konflikten in den Nachbarländern. Viele potenzielle Besucher haben Sicherheitsbedenken, die – wie wir schnell feststellten – völlig unbegründet sind. Selbst die teils schwer bewaffneten Polizisten, denen wir begegneten, sind unglaublich freundlich und hilfsbereit.
Es ist März und der Fastenmonat Ramadan ist in vollem Gange. Ein weiteres Detail, dem wir bis kurz vor dem Beginn des Trips kaum Beachtung geschenkt haben. Trotz der strengen Fastenzeit können wir überall etwas zu essen finden, wobei es in diesen Zeiten natürlich wichtig ist, respektvoll mit dem eigenen Konsum umzugehen. Aber eingeschränkt fühlen wir uns nirgends. Der Geruch von frisch gebackenem Fladenbrot zieht uns durch die Straßen und in versteckten Cafés, rücksichtsvoll hinter Vorhängen verborgen, finden wir köstlich-knusprige Falafel und den wohl besten Halloumi unseres Lebens.
Am Morgen unserer Weiterreise besuchen wir die Zitadelle von Amman – oder, besser gesagt: das, was davon übrig ist. Das Gelände liegt auf einem der höchsten Hügel der Stadt und bietet nicht nur einen wunderschönen Panoramablick über Amman, sondern nimmt uns mit auf eine Reise durch 6000 Jahre Stadtgeschichte. Von den Überresten des Herkules-Tempels aus der römischen Zeit bis zum Umayyaden-Palast aus dem 8. Jahrhundert haben hier seit der Jungsteinzeit zahlreiche Zivilisationen ihre Spuren in den verwitterten Steinen hinterlassen.
Auf dem King’s Highway in Richung Süden
Mit unserem Mietwagen machen wir uns auf den Weg nach Süden in Richtung Dana. Die Fahrt führt uns über den legendären King’s Highway – die älteste durchgehend genutzte Straße der Welt, die sich durch historisch bedeutsame Orte und eine karge, aber eindrucksvolle Landschaft schlängelt. Immer wieder wird der Weg von Aussichtspunkten unterbrochen, an denen sich die Weite der jordanischen Hochebene bis zum Horizont erstreckt. Und je weiter wir in Richtung Süden gelangen, desto höher steigen die Temperaturen an.
Auf unserem Weg machen wir einen Zwischenstopp bei der Burg von Kerak. Die Kreuzritterburg aus dem 12. Jahrhundert war einst einer der wichtigsten Stützpunkte der Kreuzritter im Heiligen Land und thront auch Jahrhunderte später noch majestätisch auf einem Hügel. Von den Burgmauern aus kann man bis zum schimmernden Rand des Toten Meeres und über die Grenzen hinaus blicken.

Dana: Wanderparadies mit Ausblick
Aus dem Trubel der Großstadt in die Abgeschiedenheit der Natur: Das UNESCO-Biosphärenreservat Dana ist Jordaniens größtes Naturschutzgebiet und umfasst vier verschiedene Klimazonen, was zu einer bemerkenswerten Biodiversität führt. Über 800 Pflanzenarten und mehr als 200 Tierarten wurden hier dokumentiert – einige davon sind endemisch und kommen nur in dieser Region vor. Dementsprechend findet man in dieser Region auch zahlreiche Möglichkeiten für Wanderungen, die von mehrstündigen Tagestrips bis zu tagelangen Ausflügen erstrecken. Kein Wunder also, dass sich dieser Ort schon in der zeitigen Planungsphase als fester Bestandteil der Reise etabliert hat.

Mittlerweile haben die Temperaturen tagsüber über 25°C erreicht. Untergebracht sind wir in einem der abgelegenen Eco-Camps, die perfekt in die Umgebung integriert sind und großen Wert auf Nachhaltigkeit legen. Und rundherum: Komplette Stille. Kein Anzeichen von Zivilisation. Das vegetarische Abendessen ist hervorragend und ein Beweis dafür, dass man auch ohne Fleisch die jordanische Küche in all ihrer Vielfalt genießen kann.
Wir verbringen den darauffolgenden Tag mit einer schweißtreibenden Wanderung durch die beeindruckende Landschaft. In den tiefen Schluchten, wo die Sonne nur für wenige Stunden am Tag hineinscheint, herrschte eine wohltuende Kühle, ein erfrischender Kontrast zur Hitze der exponierten Berghänge. Bunte Steine schimmern hier in allen erdenklichen Farben – rostrot, ockergold, tiefviolett – und eröffnen uns ein geologisches Wunderland, das von der bewegten erdgeschichtlichen Vergangenheit der Region zeugt.
Unser Guide ist unermüdlich darin, uns die Besonderheiten der lokalen Flora und Fauna zu zeigen. Er macht auf Insekten, Schildkröten und versteckte Nabatäer-Höhlen aufmerksam – und auch die Fernsicht auf die Nachbarn: “Von hier aus kann man bis nach Palästina sehen, wo die Menschen leider gerade eine ganz andere Lebensrealität haben”, sagt er beinahe beiläufig – eine Anmerkung, die uns die Privilegien des Reisens deutlich vor Augen geführt hat.
Nach einem anstrengenden, aber spannenden Wandertag kamen wir am Abend zur Ruhe, um Fotos zu sichten und das Gesehene zu verarbeiten, während sich die Abendsonne langsam hinter den Schluchten verabschiedet. Wir haben im Voraus kurz überlegt, diese Wanderung ohne Guide zu unternehmen – und sind jetzt mehr als froh, dass wir uns für eine geführte Tour entschieden haben. Nur allzu leicht kann man sich in diesem riesigen wilden Gebiet verlaufen, in dem es so gut wie keine gekennzeichneten Wanderwege gibt.
Als Vorbereitung auf den nächsten Tag unserer Reise schauen wir uns abends Indiana Jones und der letzte Kreuzzug an – schließlich werden wir morgen eines der berühmtesten Filmsets der Welt besuchen: Petra!
Fortsetzung folgt…