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10 musikalische Highlights vom Reeperbahn Festival 2022

Nachdem das Reeperbahn Festival im letzten Jahr mit einigen pandemiebedingten Problemen zu tun hatte, trumpfte es in der 2022er Ausgabe wieder in alter Form auf. Bereits am ersten Tag wurde klar, dass die Veranstaltung in Punkto Organisation, Kommunikation und Programmplanung zu ihrer alten Strahlkraft zurückgekehrt ist. Auch das Booking-Team hat erneut ganze Arbeit geleistet, sodass von Mittwoch bis Samstag hunderte Bands in dutzenden Spielstätten auftraten. Meine zehn Lieblings-Livemomente möchte ich hier zusammenfassen.

1. French 79 [Mojo]

French 79 aka Simon Henner fabriziert eine extrem tighte Mischung aus Disco, French House und Pop und bringt damit bereits am Donnerstagabend das komplette Mojo zum Tanzen. Die Sterne stehen günstig für ihn: Mit seiner Musik trifft er genau den Disco-Nerv der Zeit und verneigt sich gleichzeitig vor Legenden wie Justice. So würde es mich nicht wundern, wenn er demnächst auf dem einen oder anderen Line Up Plakat der großen Open Airs hierzulande erscheint.

2. Petrol Girls [Gruenspan]

Eine Band wie ein Pulverfass. Petrol Girls haben etwas zu sagen, und sie sagen es laut! Von der ersten Sekunde an mit dem Fuß auf dem Gaspedal faucht, schreit und grölt sich Lead-Sängerin Ren Aldridge die Seele aus dem Leib und erzählt zwischendurch von Frauenrechten, Abtreibungen und den Zerschlag des Patriarchats. Ihr Album Baby ist ihr nunmehr Drittes und wütendstes. Grund genug, um der Band endlich die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient!

3. Caroline Rose [Resonanzraum]

Vielleicht DIE Überraschung des Festivals. Selten habe ich solch einen Energiebolzen gesehen, der verspielte Popsongs mit charmanten 80er Vibes und gleichzeitig viel Selbstironie ausstattet und zwischendurch noch die Energie findet, um ein paar Runden über die Bühne zu sprinten — um sich danach noch eine Bierdusche zur Belohnung zu geben. Grandiose Show einer ungemein sympathischen Band.

4. DŸSE [Gruenspan]

Dieses Gespann hat auch nach vielen gesehenen Konzerten noch nichts von seinem rohen Bums verloren. Es ist einfach immer wieder eine Freude, Jarii und Andrej zu beobachten wie sie sich in Rage spielen. An ihrem altbewährtem Konzept Gitarre, Schlagzeug, Geplapper und Vollgas hat sich nichts geändert. Gut so! Nächstes Mal aber trotzdem lieber wieder in einem kleinen Club, denn dort entfaltet sich der Noise-Core der beiden einfach am besten.

5. ATOEM [HeadCRASH]

Bleiben wir bei Zweiergespannen mit Bums: Auch ATOEM hat mir ordentlich den Kopf weggeblasen, allerdings ausschließlich auf elektronischer Ebene. Sich gegenüberstehend zündeten Gabriel Renault und Antoine Talon ein Live-Beatfeuerwerk ab, das alle Besucher zum Tagesabschluss wie einen Sog in ihre futuristischen Klangwelten eintauchen lassen hat. Wieso machen Duos aus Frankreich eigentlich immer so unverschämt gute elektronische Musik?

6. Roy Bianco & die Abbrunzati Boys [Uebel & Gefährlich]

Obwohl ich eigentlich gedacht hätte, dass ich nach zwei Gigs innerhalb der letzten drei Monate gesättigt wäre, konnte ich auch beim dritten Mal nicht widerstehen. Zu gut ist die Stimmung immer wieder, wenn RB&DAB ihren unironisch/ironischen Italoschlager auf die weinselige Meute loslassen und alle sich für anderthalb Stunde schunkelnd in den Armen liegen. Dass diese Musik vielleicht nicht die längste Halbwertszeit hat — geschenkt! Mindestens in diesem Sommer konnte die Band mit jedem Gig mehr Fans einsammeln.


7. Ravi Kuma [Häkken]

Nachdem die stampfenden Beats dieses dänischen Duos auf dem Appletree Garden schon für staunende Gesichter und wippende Hüften gesorgt haben, musste ich die Energie von Ravi Kuma unbedingt noch mal im Club erfahren. Und auch beim zweiten Mal war ich komplett baff, wie ungeheuer charismatisch dieser Act ist, der das Publikum schon beim zweiten Song komplett in seiner Hand hat. Fans von Confidence Man oder Sofi Tukker sollten hier definitiv einen Lauscher riskieren.

8. Mine [Elbphilharmonie]

Die Elphi ist ein würdiger Ort, um den raumeinnehmenden, opulenten Kompositionen von Mine gerecht zu werden. Von einem guten Dutzend Musiker:innen unterstützt hat sie wohl hier den Gig ihres Lebens gehabt und auch im Publikum war die Gänsehaut von der ersten Minute an zu spüren. Sie ist einfach die absolute Referenz im ausgenudelten Genre des Deutschpops und hat sich den Gig in einem der prestigeträchtigsten Konzerthäuser des Landes mehr als verdient.

9. The Mysterines [Molotow Club]

Die Mysterines waren wohl der lauteste Act, den ich in diesem Jahr erleben durfte. Mit einer Mischung aus Grunge und Stoner Rock beschallte der Vierer aus Liverpool all jene Glückspilze, die am ersten Abend ihren Weg in das brechend volle Molotow gefunden haben. Vielleicht ein wenig zu ambitioniert vorgetragen – aber dafür gab es rohe Energie aufs Trommelfell, die den Schweiß von der Decke tropfen lassen hat.

10. Roller Derby [Molotow Backyard]

Erst vor etwas mehr als zwei Jahren gegründet, touren Roller Derby aktuell durch die Clubs des Landes, um ihre Version von entrücktem Bedroom-Pop unter die Leute zu bringen. Im spätsommerlich-lauen Molotow-Garten war das Hamburger Dio nach der ohrenbetäubenden Donnerwalze von den Mysterines genau das richtige Kontrastprogramm. Richtig gute Band, um den Tag schmachtend und leichtfüßig abzuschließen.

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